Wolfgang Becker

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Deutschland 09

Ich hatte ja empfohlen zu Deutschland 09 ins Kino und zu Meine Daten! in die Stadtbücherei zu gehen. Meine Daten! hat bei mir leider auch nicht geklappt, aber es gibt ja Aufzeichnungen von den Vorträgen. Wem zwischen 25. und 28. März auch andere Dinge wichtiger waren als Datenschutz, sei es nahegelegt den Vortrag „Datenkraken. Die Kommunikationsgesellschaft und ihre Feinde“ von padeluun anzuhören. Ralf Bendrath über die Geschichte der Überwachung sowie Beate Rösslers „Wert des Privaten“ finde ich nicht so spannend.

Deutschland 09 – 13 kurze Filme zur Lage der Nation, habe ich jedoch gesehen. Und sie begeisterten mich, die kurzen Filme. Manche mehr, andere weniger. Insgesamt war ich aber überfordert. Jeder Regisseur hat versucht in die rund 10 Minuten, mehr oder weniger direkt, eine Botschaft zu packen. Und leider habe ich nicht alle verstanden. Trotzdem ein paar Eindrücke und Hintergrundinformationen:

Der Name Murat Kurnaz

Fatih Akin hat in „Der Name Murat Kurnaz“ ein Interview, der Süddeutschen Zeitung (SZ) im Oktober 2008 mit dem ehemaligen Guantanamo-Häftling Kurnaz nachgespielt. Die Umgebung und filmerische Gestaltung ist sehr schlicht gehalten, die Aussagen von Kurnaz haben genug Aussagekraft.

Im Bezug auf die heutige Situation sagt Fatih Akin in einem Interview von Christoph Gröner für die SZ:
„Die Gegner sind heute nur nicht mehr so einfach zu erkennen. Sie kommen mit einem Lächeln auf dich zu. Sie sitzen in den Parteien, von denen du immer dachtest: Hey, das sind die Guten.“.

Krankes Haus

Auf skurrile Weise wird Deutschland als ein Krankenhaus dargestellt. Viele Wortneuschaffungen wie die geplatzte Subventionsblase oder die Amputation der Lohnnebenhöhlen sind nicht übermäßig witzig, bringen aber doch so manche Schieflage unserer Gesellschaft auf den Punkt. Wolfgang Becker kommt an so vielen Baustellen vorbei, dass ich wohl nicht mal die Hälfte verstanden habe. „Yes, we can“-Psychopaten landen genauso im Keller, wie die Folterknechte der Vorjahre. Überall muss gelöhnt werden und manchmal scheint auch pures Dreinschlagen die Rettung zu sein.

Rames

„Diese Branche in Deutschland geht in Arsch.“ beklagt der Puffbetreiber in Ramses. Extrem widerliche Geschichten werden erzählt, von Leuten, die am Tag in der Stadt ein anderer Mensch zu sein scheinen. – Wir leben in verschiedenen Welten. Ansonsten hat mir Romuald Karmakar nicht besonders viel mitgeteilt in dem Film.

Feierlich reist

Globalsierung ist das große und einzige Thema in „Feierlich reist“ von Tom Tykwer. Einsam jetten wir durch die Welt um überall dabei zu sein und doch nichts zu erreichen. Wir klammern uns an Rituale, die doch keinen Halt geben. Und auch in der geliebten Heimat wartet so manche böse Überraschung.

Die Welt schreibt: „Es ist ein Film über den Verlust von Heimat, über die Gleichschaltung der Welt – und als der Geschäftsmann schließlich nach Hause, nach Deutschland zurückkehrt, hält Tykwer noch einen besonders grausamen Gag bereit.“

Gefährder

Auf der wahren Geschichte von Andrej Holm basiert der „Gefährder“ von Hans Weingartner. Er zeigt wie Terrorismusverdacht das Leben einer normalen Familie verändern kann. Plötzlich wird sie in einen Stasi-Staat versetzt, in dem man sie rund um die Uhr überwacht. Terrorismusbekämpfung rechtfertigt ja heutzutage alles. Und ein paar Einschränkungen muss man als Individuum halt hinnehmen, dafür dass unser Land „sicherer“ wird.

Dieser Film war der Grund für mich in Deutschland 09 zu gehen – habe den Hinweis bei annalist gefunden. Für mich keineswegs ein „Verschwörungsdramolett im Stil einer Vorabend-Soap“, wie der Spiegel schreibt. Nein, es hat sich gelohnt!

Eine demokratische Gesprächsrunde zu festgelegten Zeiten

Isabelle Stever zeigt in einer „demokratische Gesprächsrunde zu festgelegten Zeiten“ wie anstrengend Demokratie sein kann. Sie ermutigt zur Bereitschaft sich zu verändern, auch wenn man sich zuerst als Opfer sieht. Außerdem ist dieser Film einfach süß. Die jungen Schauspieler sind super!

Fraktur

Ein Fuhrunternehmer (Josef Bierbichler) hat viel Macht, die er schamlos missbraucht, seine persönliche Sturheit durchzusetzen. Er ist Sinnbild für die Verantwortungslosigkeit der Manager, die knallhart mit denen abrechnen, die ihre Meinung nicht teilen.

Der Weg, den wir nicht zusammen gehen

Beim besten Willen, an „Der Weg, den wir nicht zusammen gehen“ von Dominik Graf kann ich mich nicht mehr erinnern.

Schieflage

Sylke Enders zeigt in „Schieflage“ wie die Gesellschaft auseinander klafft. Der Graben zwischen arm und reicht ist nur schwer zu überbrücken. Die einen begeben sich auf die andere Seite und helfen, die anderen berichten über das Bild auf der anderen Seite. Beides scheint die eigentlichen Probleme nicht zu lösen. Eine Brücke wird nicht gebaut.

Die Unvollendete

In Ulrike Meinhoff und Susan Sonntag treffen sich zwei Persönlichkeiten, die sich Gedanken über die Gesellschaft machen. Moderiert wird von einer jungen Frau aus der Zukunft (2009). Leider kenne ich die beiden Publizistinnen und ihre Einstellungen zu wenig um allen ihren Ausführungen folgen zu können.

Joshua

Eine psychisch kranke Welt voll Wahnvorstellungen zeichnet Dani Levy. Politik wird nicht von Politikern gemacht, sondern von Mächtigen im Hintergrund.

Erster Tag

Auch zum „Ersten Tag“ von Angela Schanelec wage ich keine Auskunft. – Zu verschwommen ist mein Bild davon.

Séance

Zum Schluss noch Christoph Hochhäuslers „Séance“. Er versetzt die Menschheit auf den Mond, da wir die Erde zu Grunde gerichtet haben. Jegliche Erinnerung wird durch Gehirnwäsche ausgelöscht und es bleibt nur die Sehnsucht nach dem längst vergessenen „Deutschland 09“.

Resumé

Die Spiegel-Aussage „Deutschland 09“: Dieser Omnibus rollt definitiv ins Nirgendwo. kann ich nur so verstehen, dass der Spiegel-Autor Christian Buß keine Lust hatte über die Filme und unsere Gesellschaft nachzudenken. Wenn man sich darauf einlässt hat jeder Film eine Botschaft. Es wird nicht kollektiv an einem politischen Statement gearbeitet, sondern es ensteht eine vielfältige Kollage von Eindrücken. – Auch das ein Stück Ausdruck unserer Gesellschaft?

Die Zeit schreibt „Ja, es stimmt, die politischen Energien des aufwendigen Gemeinschaftswerks bündeln sich nicht, etliches ist missglückt.“ Ich empfinde gerade diese Vielfalt interessant und besonders geglückt. Wenn alle 13 Filme unisono die gleiche Aussage hätten wäre es doch langweilig. Manche Aussagen werden kritisiert mit „Hatten wir das Thema nicht schon einmal erfolgreich durchgenommen?“ Einige Themen halte ich auch für viel diskutiert, aber erfolgreich? Haben die Diskussionen bisher wirklich was verändert?

Wer noch weiter lesen will dem sei die TAZ empfohlen.