Politik

23 Beiträge

Jörg Tauss

Ich wollte mich ja raushalten und die Vorfälle um Jörg Tauss hier (noch) nicht kommentieren. Gerade habe ich aber im Compyblog von den vielen Zufällen gelesen, die in diesem Zusammenhang durchaus interessant sind. – Da musste ich einfach…

Ich halte nichts von Verschwörungstheorien, aber wir sollten keine vorschnellen Urteile aussprechen (oder denken). Bislang geht es um Ermittlungen – weiter nichts. Trotzdem immerhin Ermittlungen. Nebenbei: Mich würde mal interessieren, gegen wie viele Verdächtige zwar ermittelt wird, sich der Verdacht aber nicht erhärtet. (Weiß hier jemand Zahlen? -> Kommentar hinterlassen!) Sollte sich der Verdacht nicht bestätigen, so wird doch das Bild, welches uns von den Medien inzwischen vermittelt wurde, irreparablen Schaden hinterlassen. Auch wenn Tauss nach dem jetzigen Rücktritt von seinen Ämtern diese wieder übernehmen würde.

Versteht mich nicht falsch – sollte der Verdacht durch Beweise gestützt werden, bin ich absolut dafür, dass Tauss ein angebrachtes Verfahren bekommt und seine politische Karriere beendet (wird). Aber er sollte, im für ihn positiven Ausgang, die Chance haben so weiter zu machen wie bisher. Also, liebe Medien, übt euch in Zurückhaltung! Euch, lieben Lesern kann ich nur empfehlen, alles was ihr hierzu hört und lest genau zu prüfen und zu hinterfragen. Urteilt erst, wenn genügend Tatsachen auf dem Tisch liegen.

Dass ihr euch selbst ein Bild machen könnt hier noch ein paar Links zusätzlich zu denen im Text, die ich persönlich aber sehr unterschiedlich einschätze:
Pressemitteilung von Jörg Tauss
Statement von Markus Beckedahl auf Netzpolitik.org
„Online-Datenschutzbeauftragter“
justizskandale.de
Rechtsanwalt Stadler

Update: Auf der Seite Abgeordnetenwatch.de hat man die Möglichkeit den Politikern direkt Fragen zu stellen, die sie dann öffentlich beantworten (sofern sie es tun). Jörg Tauss hat hier am 17. Februar zum Thema Kinderpornographie geschrieben:

„Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist, in welcher Form auch immer, inakzeptabel.“

Update 2: Gerade noch gefunden: czyslansky » Ekelhaft!

Update 3: czyslansky bietet noch mehr interessante Hintergrundinfo

Patente oder Märkte?

Patente gewähren ihrem Besitzer exklusive Rechte und werden darum als innovationsförderlich angesehen. Dazu wurden sie ja auch erschaffen. Debrah Meloso Jernej Copic und Peter Bossaerts schlagen in einem „Science“-Artikel ein alternatives Markt-basiertes System vor, um (finanzielle) Anreize für Innovationen zu schaffen, ohne damit der restlichen Welt Einschränkungen aufzuerlegen. Ihre Experimente legen nahe, dass diese vorgeschlagene System genau so gut und in einem Fall sogar besser abschneidet als das Patentsystem. Trotzdem wagen sie nicht vorzuschlagen Patente anzuschaffen, sondern schließen mit:

„In summary, our experimental findings suggest that the patent system is not a universally superior way to incentivize intellectual discovery. We proposed a markets system that we found to work equally well, and in one respect, better. Our markets system avoids many of the problems associated with a patent system. Its main feature is that everyone shares in the fruits of intellectual discovery, because everyone starts with shares in the components of potential discoveries; still, all those who actually spent the time to find the best solution have the potential to earn more.“

Patente haben in meinen Augen verschiedene Schwierigkeiten. So haben sich beispielsweise Firmen auf die Vermarktung von Patenten spezialisiert. Sie tun nichts anderes als Patente kaufen, Lizenzen dafür weiterzugeben und vor Gericht ziehen um produktiven Firmen das Leben schwer zu machen. Sie produzieren keinerlei gesellschaftlichen Mehrwert, sind keineswegs innovativ und produzieren nicht mal innovationslose Güter. Sie kosten bloß Geld. Andere Schwierigkeiten zeigen sich in Enwicklungsländern, wo Menschen verhungern oder an Krankheiten sterben, weil „wir“ ihnen verbieten die nötigen Medikamente, Dünger, Pflanzenschutzmittel, … selbst zu produzieren und sie ihnen nur teuer verkaufen. Abgesehen davon scheint es auch an der Umsetzung hin und wieder zu hapern. Es werden sehr viele Patente erteilt, obwohl die Sache nicht neu oder eigentlich trivial ist. Erst wenn dann jemand klagt und das Gegenteil beweist werden diese zurückgenommen. Oder wie ist das mit den Bauern, die ihre Kartoffeln im nächsten Jahr nicht wieder stecken dürfen – weil das Saatgut patentiert ist und sie deshalb gezwungen sind wieder neues Saatgut zu kaufen?

Naja, den Pre-Print des Artikels gibt es auf der Webseite von Debrah Meloso zu lesen. Die engültige Fassung ist leider nur einer ausgewählten Leserschaft zugänglich, nämlich den Abonnenten des Wissenschaftsmagazins Science. (Was ich daran schon wieder auszusetzen habe erzähle ich ein ander Mal ausführlicher als hier.) Gefunden habe ich die Veröffentlichung über golem.de.

Wahlcomputer sind Verfassungswidrig

Es hat sich wieder einmal bestätigt: Die wichtigste Instanz der heutigen Politik sitzt in Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht. Es ist zwar traurig, dass es in letzter Zeit so oft eingreifen muss, und sich die Politiker nicht schon an unserer Grundwerte besinnen, bevor sie etwas beschließen. Aber es ist ja schön zu sehen, dass das System insgesamt noch funktioniert. Wenn doch auch stark zeitverzögert. Immerhin sind seit neune Jahren in Köln „digitale Wahlhelfer“ im Einsatz und erst heute wurde ganz klar bestätigt, dass sie in der bisherigen Form nicht erlaubt sind.

Ein Arbeitskollege meinte neulich zu dem Thema „Bei Wahlmaschinen ist es so wie bei allen Maschinen: Sie sollen einem die Arbeit abnehmen. Hier konkret: die Arbeit des Wählens.“ – So ironisch dieser Kommentar ist, so einfach ist es jedoch die Wahlcomputer zu manipulieren.

Schon seit Jahren wird kritisiert, dass bei der Verwendung von Wahlmaschinen für den Bürger die Wahl nicht mehr nachvollziehbar ist. Dies ist nun auch einer der Hauptgründe für das Verbot der Wahlmaschinen.

Der Vollständigkeit halber: netzpolitik.org berichtet natürlich auch, und sogar SWR1 hat darüber berichtet.

Patientenquittung

Ich habe ja (hier) von dem Recht geschrieben, beim Arzt eine Patientenquittung zu erhalten. Ich finde das immer noch für sehr interessant und halte diese Möglichkeit für ein wichtiges Kontrollinstrument.

Nach einigem Hin und Her hat es meine Zahnärztin nun geschafft mir die Quittung zukommen zu lassen. Mit einiger Überraschung, denn es wurde insgesamt der Betrag von 47,49 EUR abgerechnet. Es war zwar „nur“ eine Vorsorgeuntersuchung, bei der noch eine scharfe Kante an einem Zahn abgeschliffen wurde, da aber Zahnärzte nicht gerade zu den schlechtesten Verdienern gehören und ja auch noch Arzthelferinnen und Kosten für die Praxis davon bezahlt werden hätte ich mehr erwartet. Es war ja auch die erste Untersuchung beim neuen Zahnarzt, ich denke mal, dass nächstes Mal noch etwas weniger anfällt.

Bei meinem vorletzten Zahnarztbesuch war ich noch bei einem anderen Zahnarzt. Der hat damals eine kleine Füllung gemacht und die Kante nicht sauber abgeschliffen. Das hat die „Neue“ jetzt nachgeholt und ich wurde um 10 EUR Praxisgebür gebeten. Dafür, dass die Zahnärztin eine Fehler ihres Vorgängers behoben und dies mit 8,52 EUR berechnet hat. – Irgendwie ein komisches Abrechnungsverfahren…

Probiert es doch auch mal aus und bittet den Arzt oder Zahnarzt nach dem nächsten Besuch euch eine solche Patientenquittung auszustellen.

Online Bibliothek Korntal-Münchingen

Im Amtsblatt der Stadt Korntal-Münchingen vom 5. Februar 2009 schreibt die Stadtverwaltung stolz über die Eröffnung der Online Bibliothek.

Bibliotheken sind sehr wichtig für unsere Gesellschaft, weil sie jedem Einzelnen den Zugang zu Wissen verschaffen; unabhängig von seinen finanziellen Mitteln. Nur diese Möglichkeiten erlauben uns freie Entfaltung, persönlichen Fortschritt und die Bildung einer eigenen Meinung. Eine Bibliothek bietet uns Meinungsvielfalt, die in Rundfunkmedien nicht möglich ist.

Wenn ich ein Buch ausleihe, muss ich es nach einer gewissen Zeit wieder zurückgeben. Ganz einfach darum, weil es jemand anderes vielleicht auch noch lesen möchte. Computertechnologie, weltweite Vernetzung und digitale Medien sind aber im Grundsatz anders. Wenn ich ein Dokument erhalte, so wird es kopiert. – Es wird vervielfältigt, ohne finanziellen oder materiellen Aufwand. Die „neue“ Technik ermöglicht also, dass Wissen einer noch breiteren Masse auf einmal zur Verfügung gestellt wird, einfach deshalb, weil digitale Information nicht weg ist, wenn man sie jemandem gibt. Im Internet steckt Potential ALLE Menschen mit Bildung und Wissen zu versorgen. Was liegt also näher, als dass eine Bibliothek dieses Medium nutzt um Ihrem Auftrag von Bildung und Wissensbereitstellung nachzukommen?

Leider wurde diese Potential bei der Onlinebibliothek nicht genutzt. Im Gegenteil: Es wurde viel technischer Aufwand betrieben, um mittels DRM (Digital Rights Management) „sicherzustellen“, dass die Dokumente immer nur von einer Person verwendet werden können. Ausgeliehene Bücher z. B. kann man nach 7 Tagen nicht mehr öffnen. Desweiteren ist es darum für Personen, die ein anderes Betriebssystem als Microsoft Windows einsetzen nicht möglich die Onlinebibliothek zu nutzen. Das ist nicht fair, weil nicht alle Bibliotheksbenutzer gleich behandelt werden, geschweige denn dem grundätzlichen Auftrag einer Bibliothek zuträglich.

„Aber die Verleger und Autoren müssen doch bezahlt werden, darum brauchen wir diese technischen „Schutzmaßnahmen“. – Ohne diese könnten wir gar kein Online-Angebot aufbauen.“ Höre ich Sie jetzt schon denken. Mit diese Antwort machen sich es leider viele sehr einfach. Meiner Ansicht ist dies nur eine Ausrede, weil man sich keine Gedanken machen will. Stellen Sie sich doch bitte mal folgenden Fragen:

  • Was ist der Auftrag eine Bibliothek?
  • Wie kann dieser Auftrag mit Hilfe von Digitaltechnologie am besten wahrgenommen werden?
  • Warum gibt es überhaupt öffentliche Bibliotheken? – Hatten die Buchdrucker und Autoren mit dem Aufkommen von öffentlichen Bibliotheken nicht vor vielen Jahrzenten schon einmal zu kämpfen?
  • Warum gibt es sie trotzdem, es könnte sich doch auch jeder die Bücher kaufen, dann haben die Autoren und die Buchdrucker mehr Einnahmen.
  • Warum setzen sich die Bibliotheken nicht für freie Inhalte ein, die z. B. unter eine CreativeCommons-Lizenz stehen und damit wirklich für ALLE verfügbar sind?
  • Warum finanzieren Bibliotheken keine frei verfügbaren Inhalte?

Was meine Ansicht über die Aufgabe einer Bibliothek ist sollte mittlerweile klar geworden sein: Dem Volk einen Zugang zu Wissen und Bildung zu verschaffen. Und zwar angepasst an die jeweils aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnisse und Technologien. Sie sollen von der Allgemeinheit finanziert werden und für die Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Wenn Geschäftsmodelle einer bestehenden Verlags- und Produzentenindustrie diesem Auftrag widersprechen sollten die Geschäftsmodelle überarbeitet, nicht die Verfügbarkeit von Wissen eingeschränkt werden.

In der aktuellen Situation sehe ich die Aufgabe der Bibliotheken darin, auf Verläge und Autoren zu zugehen und neue Wege zu erarbeiten. Bisher ensteht Literatur weil ein Autor die Hoffnung hat, sein Werk über einen Verlag an den Markt zu bringen und dann von diesem eine Entlohnung zu bekommen. (Nebenbemerkung: Ich glaube dass viele Autoren von den Verlagen ausgenutzt werden und nicht die Entlohnung erhalten, die Ihnen zusteht.) Würden Autoren direkt von der Öffentlichkeit (z. B. über Bibliothekten) finanziert, so könnten ihre Werke einem viel breiteren Publikum zur Verfügung gestellt werden – und man müsste kein Geld für technische Schutzmaßnahmen verschwenden.

Weitere Informationen zu DRM gibt es auf netzpolitik.org und drm.info.

Wer sich ganz allgemein für Themen wie diese interessiert, dem empfehle ich die Bücher der Bundeszentrale für Politische Bildung: Die Politik der Infosphäre und Urheberrecht im Alltag, welche dort für 2 EUR bestellt oder als pdf heruntergeladen werden können.

Auch das Radio war mal böse

Die Klage lautete damals: Niemand werde noch Musik machen, wenn diese kostenlos und unkontrolliert durch den Äther geschickt würde. Für Menschen, die Songs nur gegen Bezahlung aus der Jukebox kannten, war die Regellosigkeit des Radios genauso skandalös wie für heutige Musikmanager die Praxis der Tauschbörsen. Wir wissen aber: Das Radio hat vielleicht die Popularität der Jukebox geschmälert, zum Untergang des Abendlandes oder zum Ende der Musik hat es nicht geführt. Es hat vielmehr neue Wege der Distribution möglich gemacht – und zwar, in dem Musik das Medium nutzte und nicht etwa bekämpfte.

… so schreibt DIRK VON GEHLEN in einem lesenswerten Beitrag auf der Webseite der Sueddeutschen Zeitung.